Bild © Bäumler / LJV-RLP
Offener Leserbrief zum ZEIT Dossier vom 17. August 2023
Das Dossier folgt dem Narrativ, zum Umbau und Schutz des Waldes muss mehr Wild geschossen werden. Für eine differenzierte Berichterstattung, wie man sie von einem Dossier erwarten kann, wäre wünschenswert gewesen, dieses Narrativ in Frage zu stellen. Denn Wald und Wild sind keine Gegensätze und es gibt ausreichend Maßnahmen, wie sie bspw. von renommierten Wildtierbiologen Prof. Klaus Hackländer von der Universität Wien aufgezeigt werden. Gerade die Grünen übersehen dies in ihrer Politik und machen es sich viel zu einfach, mehr Wildabschuss zu fordern und als Maßgabe für den Wildabschuss forstwirtschaftliche Gutachten vorzuschreiben. Damit dienen sie einseitig den wirtschaftlichen Interessen der Waldbesitzer und treten, wie es der Entwurf des neuen Jagdgesetzes in Rheinland-Pfalz überdeutlich zeigt, den Tierschutz mit Füßen, was für eine Ökopartei paradox ist. Aber nicht nur das, zumindest der Gesetzentwurf in Rheinland-Pfalz löst verfassungsrechtliche Bedenken aus, die noch zu klären sind.
Womit ein weiterer Punkt in diesem Dossier zu kritisieren ist: Einseitig einer Interessengruppe wie den Waldbesitzern qua Gesetz Macht zu verleihen und die Interessen anderer Verbände zu ignorieren ist ein zutiefst undemokratisches Vorgehen. Gefährlich wird es, wenn dabei Ängste wie die vor dem Waldsterben und dem Klimawandel geschürt werden, um den kritischen Diskurs zu umgehen und eigene Ideen durchzusetzen. Eine Vorgehensweise, die nur zu gern von Autokraten oder totalitären Regimen benutzt wird. Dass das abgehoben und basisfern ist und zum Glück in unserer Demokratie nicht funktioniert, musste der grüne Umweltminister Vogel in Brandenburg lernen und wird die grüne Umweltministerin Eder in Rheinland-Pfalz vielleicht auch noch verstehen. Hier wäre von einem ZEIT Dossier zu erwarten gewesen, etwas mehr in die Tiefe der Argumente und politischen Prozesse einzudringen, anstatt oberflächliche Bilder und Vorurteile von Gamsbärten und Jagdtrophäen zu bemühen.
Oberflächlich ist das Dossier auch in der Berichterstattung über den Ökologischen Jagdverband. Differenzierte Berichterstattung muss sein. Es darf aber nicht die Einordnung fehlen. Der Ökologische Jagdverband steht für gut 1% der organisierten Jägerschaft in Deutschland und vertritt einseitig Interessen der Waldbesitzer. Der Deutsche Jagdverband steht für knapp 99% der restlichen organisierten Jägerschaft. Seine inhaltlichen Positionen werden aber nicht vorgestellt. Vielmehr erfolgt eine eher launige Darstellung über den Präsidenten des Landesjagdverbands. Das ist keine sachliche Berichterstattung, wie man es leider auch im Rest des Dossiers zwischen den Zeilen zu spüren bekommt. So ist der Rekurs auf den gewünschten Wolfsabschuss schlicht manipulativ, weil er beim Leser die Assoziation auslösen kann, der Wolf nähme den Jägern das Wild weg. Der Deutsche Jagdverband sieht den Wolf nicht als Konkurrent. Es geht ihm beim Wolfsabschuss nur darum, Problemwölfe zu entnehmen, um von Viehzüchtern oder Menschen Schaden abzuwenden, und dies durch die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht bürokratisch einfacher als heute lösen zu können.
Prof. Dr. Stefan Jugel, Obmann für Öffentlichkeitsarbeit